Konkurrenz unter Frauen
Frauen und Konkurrenz
Montag, März 08, 2004
 
Bei diesem Thema tauchen viele Bilder vor mir auf, in denen ich mich zusammen mit Kolleginnen, Freundinnen, Schwestern, Klientinnen, Chefinnen sah, mit den unterschiedlichsten Gefühlen. Ich erlebte in meiner Erinnerung große Nähe, konstruktive Auseinandersetzung, große Enttäuschung und Verletztheit, fröhliches Lachen, Anteilnahme, Ablehnung, Kritik, Unverständnis usw.
Ein Kaleidoskop von unterschiedlichsten Frauenbeziehungen erschien da vor meinem inneren Auge. Konkurrenz und Rivalität unter Frauen schwang manchmal mit, stand plötzlich im Vordergrund oder war ganz verschwunden.

Ich möchte ich gleich zu Beginn die Definitionen der Begriffe Konkurrenz und Rivalität einführen und ich schließe mich der Definition von Gisela Kramer an, die schreibt:
„ ‚Rivalität’ und ‚Konkurrenz’ meinen – laut Duden – nahezu dasselbe. Vom lateinischen rivalis (= Nebenbuhler) kommend, bezeichnet das Wort „Rivale“ eigentlich den zur Nutzung eines Wasserlaufs Mitberechtigte(n): jmd., der sich mit einem oder mehreren anderen um jmdn., etw. bewirbt, der mit einem oder mehreren anderen rivalisiert. Dass es aber zwischen zwei solchen Flussnachbarn nicht unbedingt friedlich zugehen muss, zeigt schon die Redewendung jemandem das Wasser abgraben.
Und „konkurrieren“, vom lateinischen concurrere, bedeutet zusammenlaufen, -treffen, aufeinanderstoßen, im Wettstreit stehen: mit anderen in Wettbewerb treten, sich gleichzeitig mit anderen um etw. bewerben.
Die uns heutzutage geläufige aggressive Komponente der beiden Worte kommt in seinen Ursprungsbedeutungen noch kaum zur Geltung. Zum besseren Verständnis werde ich diese beiden ähnlichen Begriffe unterschiedlich verwenden:
Konkurrenz wird den Wettbewerb im Leistungsbereich bezeichnen, Rivalität den Wettbewerb im Persönlichen.“
(Kramer 1998, S.14)

Als ehemalige Aktivistin in der Frauenbewegung und mich immer noch als einen Teil dieser Bewegung verstehende Frau versuchte ich die Frage nach der Konkurrenz unter Frauen in der aktuellen gesellschaftspolitischen Situation zu verorten, in der sogenannten Frauenfrage, der Frage nach der politischen Beteiligung von Frauen, der Frage nach der Teilhabe von Frauen im wirtschaftlichen Leben, der Frage nach gleicher Verteilung der Aufgaben in der Kindererziehung. Und ich musste wieder einmal feststellen, dass die Frauenfrage schon längst nicht mehr auf der Tagesordnung des öffentlichen Lebens steht und dies aber nicht, weil schon alle Problem gelöst seien und das Ziel der Gleichberichtigung auf allen Ebenen erreicht sei. Nein, ganz im Gegenteil. Die wirtschaftliche Krise trifft als allererstes die Frauen in den unterbezahlten Positionen, die Rentendiskussion erweist sich in ihren schärfsten Auswirkungen als besonders negativ für die Frauen, Kindergartenplätze sind nach wie vor Mangelware, um nur einige Beispiele zu nennen.
Ich will an dieser Stelle nicht in große Larmoyanz verfallen, aber es ist mir wichtig festzustellen, dass es sich heute Politikerinnen und Politiker wieder leisten können, sowohl in ihren Wahlkämpfen, und da zeigen sie sich ja meist von ihrer besten Seite, als auch in ihrer Tagespolitik, Frauen als Zielgruppe, als Wählerinnen, als Adressantinnen ihrer Politik einfach zu ignorieren, einfach komplett zu vernachlässigen. Frauenpolitik scheint nicht mehr konkurrenzfähig, sie spielt in der aktuellen politischen Diskussion keine erkennbare Rolle mehr.
Und es fehlt, das möchte ich selbstkritisch anmerken, eine starke Frauenbewegung auf der außerparlamentarischen Seite, die diese Notwendigkeiten einfordert.
Dies kann negative Auswirkungen haben, die vieles, was wir heute als selbstverständlich annehmen, in Gefahr bringen. Die Wertigkeit, die wir im politischen Alltag haben, hat auch Auswirkungen darauf, welche Wertigkeit wir uns selbst geben. Wie wir Frauen miteinander umgehen, hat seine Auswirkungen und schafft eine politische/gesellschaftliche Kultur. Wenn die Arbeitsplätze knapp werden, erhöht sich die Konkurrenz am Arbeitsmarkt. Und es ist zu befürchten, dass sich Frauen aus den knapp werdenden Arbeitsplätzen verstärkt verdrängen lassen und sich wieder mehr auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter zurückwerfen lassen.

Dennoch: Die Erfolge der Frauenbewegung sind aus dem politischen und gesellschaftlichen Alltag, aber auch aus unserem individuellen, persönlichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Frauenarbeit ist ein fester Bestandteil der Berufswelt, und die Aufstiegschancen haben, zumindest minimal, zugenommen. Das Bewusstsein für frauenspezifische Themen ist geschärft, das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen kein Tabu mehr. Dies sind alles letztlich Beweise, dass wir Frauen an gesellschaftlicher Bedeutung gewonnen haben, auch wenn uns noch nicht die Hälfte des Himmels und der Erde gehört.

Auf der Suche nach dem Stand der aktuellen Diskussion zu unserem Thema, begab ich mich in den Dschungel der Frauenfachliteratur. Und musste dort zu meinem großen Erstaunen Zweierlei feststellen:
1. Der Höhepunkt der Diskussion des Themas Konkurrenz unter Frauen hat bereits Mitte der 90er Jahre stattgefunden und wurde seither kaum wieder aufgegriffen.
2. Die Literatur bewegt sich zwischen zwei Polen. Auf der einen Seite der Ratgeberebene, mit oft sehr platten, reißerischen Darstellungen, auf der anderen Seite die Ergebnisse der Frauenforschung, die zum großen Teil in einer elitären Sprache diskutiert werden und die nur noch kleinen akademischen Zirkeln zugänglich sind.

So konnte ich mir zwar einige Anregungen zu unserem Thema holen, war aber doch gezwungen, eine eigen Sicht auf das Thema zu entwickeln.

Wir bewegen wir uns mit der Frage nach Konkurrenz zwischen Frauen inmitten der Diskussion der Frauenbewegung der vergangenen Jahrzehnte und auch im Spiegel der Entewicklung der Frauenprojekte. Deshalb möchte ich hier ein kurzes Resümee dieser Entwicklungen darstellen.

Zu Beginn der Frauenbewegung standen Postulate wie „Gemeinsam sind wir stark“, „Alle Frauen sind gleich“, „ Wir sind alle gemeinsam betroffen von der Unterdrückung durch das Patriarchat“ etc. im Mittelpunkt. In dieser Zeit ging es erst einmal darum, ein Bewusstsein für Frau – Sein in dieser Gesellschaft zu entwickeln und eigene Räume zu schaffen, wo sich Frauen alleine, d.h. getrennt von Männern, zusammen finden und entwickeln konnten. Es ging vor allem darum, Gemeinsamkeiten zu entdecken, die eigene Situation wahrzunehmen, sich ernst zu nehmen und gemeinsame Strategien gegen Unterdrückungsmechanismen zu entwickeln. “Frauen gruppierten sich und bezogen allein schon aus diesem gemeinsamen Handeln, weil sie endlich der isolierten Hilflosigkeit entronnen waren, ein Gefühl der Stärke.“ (Kramer 1998, S.179) Ziel war es, die Geschlechterhierarchie in Frage zu stellen und aufzulösen.
Konkurrenz und Kritik aneinander waren zu diesem Zeitpunkt Tabu-Themen. Es ging ja um etwas Neues, nämlich das Gemeinsame, das Verbindende. Der Hintergrund war dabei ein hoher moralischer Anspruch, der in seiner Beschreibung Frauen nicht selten als die besseren Menschen dastehen ließ. Wir waren friedvoller, waren sozialer, waren nicht an den kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt, waren immer Opfer. Es hatte nicht selten den Anschein, dass wir quasi schon durch unser biologisches Geschlecht einfach die besseren Menschen seien. Und in dieses Konzept passten Themen wie Konkurrenz, Rivalität und Kritik erst einmal nicht hinein.

Die Entstehung vieler Frauenprojekte ordne ich inhaltlich genau an diesem Punkt ein, auch wenn der zeitliche Rahmen ihrer tatsächlichen Entstehung oft verschoben war. Auch in vielen Projekten stand die Gemeinsamkeit aller Frauen, der Versuch der Installation einer Gegenwelt auf demokratischer Basis und frei von männlichen Strukturen, verbunden mit einem hohen moralischen Anspruch nach Gleichheit und Loyalität im Mittelpunkt. Dies aber schloss konkurrierendes Verhalten theoretisch aus.

Doch hielt dieser scheinbar paradiesische Zustand nicht allzu lange an. Schon 1983 erschien ein Buch zum Thema „Schwesternstreit“ (Carmon-Daiber u.a., Schwesternstreit, 1983), das allerdings kein Bestseller wurde. Inhaltlich war diese Position des harmonischen Gemeinsamen aber auch nicht länger haltbar. Den Rückbezug auf eine biologische Begründung lehnten wir zum großen Teil selbst ab, denn wie Simone de Beauvoir schon Jahrzehnte vorher richtiger Weise geschrieben hatte, werden wir eben nicht als Mädchen/Frauen geboren, sondern werden dazu gemacht . Zu dem wurde von vielen Frauen die Gemeinsamkeit aller Frauen aufgrund ihrer eigenen Situation fundamental in Frage gestellt.

Im Verlauf dieser Diskussion wurde ein neues Handlungsfeld, in dem konkurrierende Thesen entwickelt und diskutiert werden konnten, für Frauen erschlossen.

Die ersten Impulse gingen dabei von den schwarzen Frauen Amerikas aus, die vehement darauf hinwiesen, dass sie nicht nur Frauen seien, sondern in erster Linie schwarze Frauen und damit von einem Rassismus, der auch von den weißen Frauen getragen und gefestigt wird, existentiell betroffen sind. Hier wurde plötzlich etwas Trennendes benannt, es wurde die wohlige Gemeinsamkeit aufgekündigt. Viele schwarze Frauen kamen für sich zu dem Ergebnis, dass sie ihren schwarzen Brüdern und Männern näher stehen, als den weißen Frauen, von denen sie sich unterdrückt und gleichzeitig vereinnahmt fühlten und ihre besondere Situation in der Diskussion einfach vernachlässigt wurde. In diesem Kontext wurden Konkurrenz und Rivalität unter Frauen zu nachrangigen Themen, da strukturelle Verhältnisse, wie von Macht und Unterdrückung, dies überlagerten. Hier entstand der erste Bruch in dem Gefühl und der Wahrnehmung, alle Frauen seien gleich und hätten per se nur gemeinsame Interessen.
Als Folge davon zeigten sich immer mehr Gruppierungen von Frauen, die auf die Unterschiede, die Differenzen, die besonderen Unterdrückungsmechanismen auch zwischen Frauen hinwiesen. Einige Beispiele möchte ich hier nennen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erfüllen. (Wobei ich mich mit dieser Unvollständigkeit genau in das Dilemma begebe, nämlich eine Gruppe nicht zu nennen, die mich dann genau an diesem Punkt auf den diskriminierenden Charakter meiner Aussagen festnageln kann. Aber mit diesem Risiko muss ich an dieser Stelle leben.)
Die behinderten Frauen zeigten auf, dass ihre Behinderungen, gleich welcher Art, von den anderen Frauen schlichtweg ignoriert wurden, dass sie nicht selten aufgrund dieser Nicht-Berücksichtigung von der Teilnahme an vielen Lebensbereichen, aber auch der Teilnahme an vielen Frauenaktivitäten ausgeschlossen waren.
Die lesbisch lebenden Frauen machten deutlich, dass die Sicht auf die Welt und in der Welt geprägt ist durch Zwangsheterosexualität als das Normale, durch Homophobie, der Angst vor den eigenen homoerotischen Anteilen, und sie zeigten ihre noch sehr viel klarere Abgrenzung zu den Bezügen der Männer auf. Sie machten auf sich als eine Minderheit innerhalb der Frauen aufmerksam und stellten viele Bezugsrahmen und Postulate grundsätzlich in Frage.

Weitere Gruppen von Frauen, die auf die verschiedensten Unterschiede hinwiesen, waren Migrantinnen, Frauen anderer ethnischer Herkunft, anderen Glaubens. In der Diskussion mit ihnen wurde klar, dass auch die Frauenbewegung nicht frei war/ist, von rassistischen Haltungen, von Einstellungen, die als der mitteleuropäisch - westliche Zentrismus in die Debatte eingingen, der die Welt der weißen Mittelschichtsfrauen als Nabel der Welt betrachtete.
Der Differenzierung in große Gruppen folgten weitere Unterdifferenzierungen, z.B. Frauen mit Kindern und ohne Kinder, alleinerziehende Frauen, beruflich erfolgreiche Frauen, Frauen, die von Soziahilfe leben, Vollzeit und Teilzeit arbeitende Frauen usw. und so fort.
Mit dem offensichtlich werden dieser Differenzierungen wurde der Schwerpunkt der Diskussion verstärkt auf die vorhandenen Machtverhältnisse und die Differenzen zwischen Frauen gelegt. Der Abschied von dem großen Ziel und dem großen Wunsch nach Gemeinsamkeit war vollzogen. Entsprechend verschob sich in der feministischen Forschung auch der Schwerpunkt auf die Betonung der sozialen Kontextgebundenheit weiblicher Erfahrung.
Die postmoderne Debatte um Sex und Gender, um das biologische und das soziale Geschlecht, sowie die erweiterte Diskussion um Transgender, um Menschen, die entweder mit keinem eindeutigen biologischen Geschlecht geboren werden, oder die die Erscheinungsform ihres biologischen Geschlechts und/oder ihr soziales Geschlecht verändern, führte zu der These, dass alle Geschlechterdefinitionen konstruiert seien und deshalb keine Kategorien mehr zulässig sind. Diese hoch differenzierte Theorie hat zur Folge, dass keine Aussagen mehr über die Gruppe der Frauen respektive der Männer getroffen werden kann. Aus meiner Sicht ging damit bedauerlicherweise aber auch die Frau als politisches Subjekt verloren und die politischen und inhaltlichen Handlungsmöglichkeiten werden sehr eingeschränkt.

Wenn ich im folgenden trotzdem von Frauen spreche, meine ich Frauen der Dominanzkultur, d.h. die Gruppe von Frauen, die in Mitteleuropa oder Nordamerika lebt, weiße Hautfarbe hat, dem Mittelstand mit christlicher Religionszugehörigkeit entstammt, mit großer Wahrscheinlichkeit heterosexuell und schon immer als Frau lebt, eine passable Ausbildung hat und somit keiner Minderheitengruppe von Frauen angehört. Ich betone dies hier nochmals, um deutlich zumachen, dass ich mir der oben beschriebenen Differenzen sehr wohl bewusst bin, sie aber in meinen weiteren Darstellungen leider nicht weiter berücksichtigen kann. Um überhaupt Aussagen zu unserem Thema machen zu können, ist diese Vereinfachung, dieser unscharfe Blick, notwendig.
Und es ist auch kein Zufall, dass ich diese Gruppe von Frauen als wahrscheinlich heterosexuell lebend bezeichne, da in fast allen Untersuchungen auch zur sexuellen Orientierung keine Unterschiede gemacht werden. Zudem gehe ich davon aus, dass auch lesbisches Leben nicht auf einer Insel stattfindet, und Lesben in ihrem Alltag, meist auch dem beruflichen Alltag, mit Männern und männlicher Macht konfrontiert sind.


Wie an verschiedenen Punkten meiner Einleitung schon angedeutet, gehe ich davon aus, dass wir immer noch in einer Gesellschaft leben, die von der Geschlechterhierarchie bestimmt ist. Geschlechterhierarchie meint, dass es ein oben und unten gibt, und dass dieses oben und unten durch das biologische Geschlecht bestimmt ist, nämlich dass die Männer die mächtigeren Positionen innehaben und Frauen in ihrer Mehrheit die unteren.
Diese Geschlechterhierarchie hat auf der sozialen Ebene die Konstruktion sozialer Rollen zur Folge, die wiederum zur Erhaltung dieser Hierarchie beitragen. Und an der Aufrechterhaltung dieser Hierarchie haben vor allem Männer ein großes Interesse, da es ihre männlichen Domänen der Macht schützt und stabilisiert. Dass Frauen in vielen Bereichen und mit vielen Verhaltensweisen dazu beitragen, dieses System zu stabilisieren und so zu Mittäterinnen werden, auch wenn es ihren ureigensten Interessen eigentlich widersprechen müsste, sei hier nur am Rande erwähnt.
Wenn wir weiterhin die Wertekategorien unserer Gesellschaft mit einbeziehen, betrachten, betrachten, nämlich die Teilhabe an Macht und Einfluss im politischem und ökonomischem Bereich als erster und wichtigster Kategorie sowie dem an letzter Stelle stehenden Bereich der sozialen und familiären Arbeit und der Arbeit an und mit Kindern – und wir betrachten uns dann die Verteilung von Männern und Frauen in diesen Bereichen – so ziehen Frauen zweifellos den kürzeren. D. H. ihre gesellschaftliche Position wird als eine weniger wertvolle betrachtet, sie erfährt eine äußere Abwertung, die konsequenterweise auch eine innere Abwertung bei den Frauen selbst zur Folge hat.
Und diese innere Abwertung halte ich für einen wesentlichen Ausgangspunkt, wenn wir uns mit dem Thema Konkurrenz unter Frauen beschäftigen, denn wie meine innere Haltung zu mir selbst ist, spiegelt sich auch in meinem Verhältnis zu anderen Frauen wider.
Beispiel: Eine Frau betritt den Raum, sofort wird sie von den anwesenden Frauen in Kategorien eingeteilt, wird be- und häufig auch abgewertet.

Wenn ich also davon ausgehe, dass Männer den höheren Status in dieser Gesellschaft haben, und Frauen in ihrer Biographie als ein wesentliches Ziel immer noch die Verbindung/Partnerschaft/ Ehe mit einem Mann betrachten, (sicherlich haben sich Lebensziele wie Ausbildung und Berufstätigkeit auch als wichtige Lebensziele daneben etabliert) so ist die Rivalität um diesen Mann, und die Hoffnung auf Teilhabe an seiner Macht als „seine“ Frau, ein wichtiges Lebensziel für viele Frauen. Auf dieses Lebensziel müssen zwangsläufig auch die Sozialisationsaufgaben gerichtet sein. Und selbst wenn Männer keinen Status als potentielles Liebesobjekt haben, erhalten sie doch, qua ihrer Macht Anerkennung auszusprechen oder zu entziehen, einen hohen Stellenwert.

Die wesentlichen Sozialisationsaufgaben bei Mädchen zielen immer noch darauf ab, dass Mädchen nett, hübsch, fleißig, sozial kompetent und einigermaßen klug sein sollen. Wichtig ist dabei, dass sie dies alles in einem bestimmte Mittelmaß sein sollen, d.h. sie sollen in keiner ihrer Fähigkeiten besonders hervorstechen, sollen nicht auffallen, sollen in einem hohen Maß dem Ziel der Anpassung an die geforderte Rolle folgen.(Der Poesiealbum-Spruch: „Sei wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein, nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein“, löst heute zunächst erst mal ein mitleidvolles Lächeln aus, hat aber in seiner Grundaussage leider nicht viel an Bedeutung verloren.)
Und Mittelmäßigkeit ist eben eine Kategorie, die sich mit Leistungsmessen und Wettbewerb schlecht vereinbaren lässt.
Ein ähnliches Phänomen finden wir auch in Frauenprojekten: Zwar unter dem Deckmantel der Frauensolidarität, gab und gibt es auch hier häufig ein unausgesprochenes Verbot, sich zu exponieren, sich sichtbar zu qualifizieren und sich anders als die anderen zu zeigen, empor zu tauchen aus der Gemeinschaft der vermeintlich Gleichen.

„Die patriarchale Hierarchie betrifft nicht nur die Strukturierung der Gesellschaft, sie stellt ebenso eine Hierarchie der Gefühle und des Denkens her. Und erhebt beides zu einem regelrechten Besitzstand, der quasi nicht angetastet werden darf. Alles, was an männlichen Tugenden dazu gehört, um Macht und Einfluss zu gewinnen, wird von der herrschenden Meinung (also auch von Frauen) für Frauen tabuisiert, indem sie für ein bestimmtes Verhalten – wie hartnäckig, laut dominant sein (alles Eigenschaften, die den Männern gestattet sind) – als „männlich“ diffamiert werden.“ (Kramer 1998, S.53)
Bei Frauen schwingen sofort negative Assoziationen, wie arrogant, überheblich, abweisend, etc. mit. Das Mittelmaß ist einzuhalten.
Weiterhin ist wesentlich bei der Erfüllung der weiblichen Sozialisationsaufgaben, die soziale Kompetenz, das gut auf andere eingehen können, ausgeglichenes Klima herstellen, die Bedürfnisse der anderer wahrnehmen und in das eigene Tun mit einbeziehen. D.h. aber auch, dass als ein wesentlicher Punkt im Leben eines Mädchens/ einer Frau der Bezug zu anderen Menschen gesehen wird. Wenn Frauen sich also vor allem nett und sozial verträglich verhalten sollen, werden Verhaltensweisen wie konkurrierend oder rivalisierend, da sie diesem Postulat widersprechen, geradezu zu unanständigen, d.h. dem Anstand, also der herrschenden gesellschaftlichen Norm widersprechenden Verhaltensweisen und dürfen deshalb keinesfalls öffentlich gezeigt werden.

Verstärkend kommt hinzu, dass die Selbstdefinition von Frauen nicht über den Blick auf die eigene Person stattfindet, sondern in Bezug auf den Blick der anderen auf sich selbst. Dies hat zur Folge, dass Frauen sich selbst nicht nur mit eigenen Augen, sondern sich gleichzeitig auch immer mit dem Blick von außen betrachten. D.h. der Blick des/der anderen auf einen selbst wird immer mit gedacht, mitgefühlt, mit gesehen.
Prof. Sabine Scheffler schreibt hierzu:
„Neuere Forschungen betonen die Situationsabhängigkeit des Geschlechtsrollenidentitätskonzepts. „Um mich als Frau zu fühlen, muss ich von anderen als Frau erkannt werden“. Dies kann an Ergebnissen der Adoleszenzforschung verdeutlicht werden, wo z.B. die Sexualität eher von anderen (männlichen Menschen) an den Mädchen entdeckt wird und sie zu Reaktionen und Gestaltungen zwingt. Die Mädchen stehen unter besonderem Druck, sich psychosozial festzulegen und betreiben deshalb die Stilisierung und Ästhetisierung ihres Körpers in besonders intensiver Weise. Sie lernen aus den nonverbalen Reaktionen, dass Attraktivität die Chance auf eine Partnerschaft und damit auch die Chance auf die Teilnahme am sozialen Status erhöht.
„Sozialisationstheoretisch entsteht so ein relativ stimmiges Bild: das selbstbewusste, eigene Kompetenzen erlebende Mädchen verliert mit dem Beginn der Adoleszenz ihr Selbst und verbringt die Jugendphase damit, dem Wunschbild ihres sozialen Umfeldes entsprechen zu wollen. Eine verunsicherte, überkritische Beziehung zum eigenen Körper verstärkt die Bereitschaft, sich der Außenbewertung zu unterwerfen. Erst als Erwachsene, wenn Liebessehnsucht und Aufopferungsphantasien enttäuscht sind, findet die Frau zum aktiven Selbst zurück.“ (Hagemannn-White in Scheffler 1999,S.11)
„In einer männerbeherrschten Kultur scheint es, als ob Männer, ganz gleich wie sie aussehen, fast immer okay sind, während Frauen auch ganz gleich wie sie aussehen, nur selten okay sind und aus diesem Grund ständig meinen, sich herrichten zu müssen“. (Gloria Steinem 1992, in: Kramer 1998, S.26)
Hinweis auf Zunahme der Essstörungen bei jungen Frauen, Vergleich der Idealmaße in den vergangenen Jahrzehnten: Immer weniger, immer dünner.

Dabei muss noch unterschieden werden, ob der Blick des Mannes oder der Blick einer anderen Frau mitbedacht wird, denn hier unterscheiden sich ja bereits die jeweils geschlechtertypischen Bilder und das jeweilige Verhalten. Die amerikanische Wissenschaftlerin Candice West nennt dieses Verhalten „doing gender“. “Dies stellt eine Art stillschweigendes Übereinkommen dar, das wir an den Tag legen, wenn wir mit dem einen oder anderen Geschlecht interagieren. Wir reagieren unbewusst ‚geschlechtsabhängig’ und passen unser Verhalten und unsere Wahrnehmung dem Geschlecht der Person an, mit der wir arbeiten, spielen oder uns unterhalten.“ (Duff/Cohen 1997, S.26) Und in dieser Interaktion wird auch die jeweilige Geschlechterrolle immer wieder bestätigt.
Beispiel: Kneipensituation von zwei Freundinnen, Mann kommt an den Tisch, Haltung, Gespräche, Zu- und abgewandtheit verändern sich schlagartig.
Wenn Frauen Männern zu gefallen versuchen, entsteht häufig Rivalität, die Bezogenheit von Frauen aufeinander wird geopfert.

Frau Kramer schreibt in diesem Zusammenhang:
„Die Hierarchie der Geschlechter wirkt fort bis in die Hierarchie der ihnen zugeordneten Werte und Qualitäten, die allerdings nur, wenn sie beim gleichen Geschlecht bleiben, auch die gleiche Bewertung behalten. Wenn ein Junge und ein Mädchen das gleiche tun, wird es mit Sicherheit nicht gleich beurteilt. Die Norwegerin Skinningsrud beschreibt die Situation folgendermaßen: „Mädchen in einer Klasse mit typisch männlichem Gesprächsstil sind mit einer Wahl zwischen zwei Übeln konfrontiert: gestraft zu werden für männlich/konkurrent sein oder herabgesetzt werden zu werden für weiblich/Verliererin sein im Konkurrenzkampf. Angesichts dieser Wahlmöglichkeit erscheint der Entschluss zur Inaktivität in der Öffentlichkeit verständlich.“ Denn es bedarf schon eines soliden
Selbstbewusstseins, um gegen das zwar nie ausdrücklich ausgesprochene, aber stets unterschwellig suggerierte Konkurrenzverbot an die Adresse von Frauen anzugehen. Die Situationen sind paradox: Die Weiblichkeit wird kurzerhand abgesprochen, so dass frau weder zum eigenen noch zum anderen Geschlecht gehört.“ (Kramer 1998, S.49f)

Als unterschwellige Botschaften durchziehen solche Paradoxien Film und Literatur, wenn Frauen mit hervorragenden Fähigkeiten und Eigenschaften einfach nicht wirklich glücklich werden dürfen.

Diese geschlechtsbezogenen Bewertungen verstärken sich, wenn sich Frauen in bestimmten Zusammenhängen als Minderheit wieder finden, wie z.B. in vielen Arbeitszusammenhängen, besonders in männerdominierten Berufen Dieser Minderheitenstatus hat für die Frauen als Gruppe und als Einzelne folgende Konsequenzen, aus denen sich verschärfte Rivalitätssituationen ergeben können.


- Frauen werden eher als Prototypen denn als Individuen gesehen.
- Die Differenzierung innerhalb der Minderheitengruppe der Frauen wird unmöglich, da dies eine Vereinzelung und Isolation bewirken würde. Die Loyalitätsbeweise der Minderheitengruppe sind hoch, da die Drohung der Isolation übermächtig wirkt.
- Der Minderheitenstatus erfordert besondere Identitätsstrategien, die als Verstärkung geschlechtstypischen Verhaltens zu beschreiben sind. Die Frauen haben Angst vor dem Verlust der Anerkennung; Frauen, die sich wehren, gelten als Emanzen, und die Männer erleben die Eigenständigkeit der Frauen als kränkend. Gleichzeitig erhalten die Frauen aber, da sie in der Minderheit sind, viel Aufmerksamkeit, und es kommt zum Verhalten der sogenannten „self-fulfilling-prophecy“. Frauen haben in solchen Settings nur die Wahl zwischen der Rolle der Mutter, der Verführerin, des Maskottchens und der Eisernen Jungfrau. Alle Rollen korrespondieren mit einem Bild von Weiblichkeit, das komplementär an die Phantasie von männlicher Dominanz, Beschützer, Held und Eroberer gekoppelt ist.“ (Scheffler 1999, S.5)

Die Frauen rivalisieren in diesen Situationen um die Erfüllung von Rollenbildern, die noch stereotyper als sonst üblich sind. Es bleibt wenig Spielraum, die Rolle individuell auszugestalten.
(Beispiel: Bogenschützenverein: Frauen in Minderheitenposition und doing gender.)

Die Position von Minderheiten birgt aber eine weitere Gefahr in sich. In Mobbing-Verläufen sind häufig Angehörige gesellschaftlich diskriminierter Gruppen das Opfer der Attacken und diese Verläufe verstärken sich noch, wenn die Person bereits einer gesellschaftlich diskriminierten Gruppe angehört. Konkret heißt das, dass Frauen häufiger als Männer Mobbing-Opfer sind, dass Frauen aber, wenn sie als Täterinnen im Mobbing aktiv werden, sich fast nur auf Frauen als ihre Opfer konzentrieren. Deshalb ist auch in reinen Frauenzuhängen diese Phänomen nicht weg zu leugnen. Hier kann es dann, unterschiedlich nach der Gruppenzusammensetzung, jeweils eine Frau aus der gerade vorhandenen Minderheitengruppe sein. (Und das kann einmal die Lesbe, das andere Mal die Hetera –Frau, das dritte mal die Alleinlebende, usw. sein.) (Ebner 2003, S.5)

Wie im bisherigen dargestellt, haben für Frauen soziale Bezüge einen lebenswichtigen Stellenwert. Aus diesen sozialen Bezügen beziehen sie ein hohes Maß an Zugehörigkeitsgefühl, und die Angst ist hoch, aus diesen Bezügen ausgegrenzt zu werden und möglicherweise heraus zu fallen. Diese Angst spielt auch in der Dynamik vieler Prozesse in Frauenprojekten eine entscheidende Rolle und führt meist lange zu einer Unterdrückung vorhandener Konflikte.
Den Begriff, bzw. die Zuschreibung, sie seien egoistisch, fürchten deshalb viele Frauen. Aus meiner therapeutischen Arbeit kenne ich dies besonders gut. Wenn es darum geht, dass Frauen lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu entwickeln und durchzusetzen, fällt sehr häufig der Satz, aber ich will doch nicht egoistisch sein. Ich kenne nur wenige Begriffe, die Frauen für sich so vehement ablehnen, wie den des Egoismus, weil er in der Innen- und Außensicht vieler Frauen sofort mit Abwertung, Ausgrenzung, nicht weiblich Sein verknüpft ist.

Die wesentlichen Beschreibungen einer gelungenen weiblichen Sozialisation beziehen sich vor allem auf die Seins-Ebene. Ein Mädchen ist nett, ist hübsch, ist sozial kompetent, etc. d.h. es geht vor allem darum, wie eine Frau ist, und nicht darum, was sie kann. Das hat zur Folge, dass bei der Selbst - Beschreibung immer sofort die ganze Person einbezogen ist, und nicht etwa einzelne Fähigkeiten. Und dies hat natürlich auch Konsequenzen, auf das Selbstwertgefühl und die Selbstdefinition von Frauen im Umgang mit Kritik. Dies erweist sich als ausgesprochen hinderlich im Umgang mit Konkurrenz. Denn wenn bei einer kritischen Äußerung zu meiner Person in meinem inneren Bild immer gleich die ganze Person gemeint ist, definiere ich Kritik folglich als Abwertung meiner ganzen Person und nicht etwa als Kritik an einer Aussage, Meinung, einem bestimmten Verhalten, an einem Teilbereich meines persönlichen Repertoires. Kritik wird auf diesem Hintergrund folglich immer als etwas Destruktives, als etwas Zerstörerisches wahrgenommen, sowohl wenn ich Kritik übe als auch, wenn an mir Kritik geübt wird. Mit dieser Bewertung wird dies zu einem Verhalten, das Frauen am liebsten komplett vermeiden würden, da in ihrem Empfinden nicht ein Thema, sondern die Identität verhandelt wird. (Meine Kollegin Uschi hat hierfür ein sehr anschauliches Bild entwickelt: Wenn Frauen kritisiert werden, legen sie dem Sicherungskasten ihres Selbstbewusstseins nicht nur einen kleinen Schalter um, sondern sei schalten sofort die Hauptsicherung heraus.)


Wenn ich das bisher Gesagte nochmals kurz zusammenfasse, kommen wir zu dem Ergebnis, dass hohe Werte für Frauen in der sozialen Verbundenheit, im Nicht-Auffällig-Sein, also dem Mittelmaß, und in der Definition, wie sie sind und nicht, was sie können, liegen. Das bedeutet folglich, dass Verhaltensweisen, die als Konkurrenz oder Rivalität zu interpretieren sind, nicht im Rahmen der gewünschten Verhaltensweisen liegen. Jetzt könnte frau zu dem Ergebnis kommen, dass es aus diesem Grund Konkurrenz und Rivalität unter Frauen nicht gebe.

Doch weit gefehlt. Denn wie oft hören wir Sätze (oder sagen sie vielleicht sogar selbst), wie: „Frauen sind intrigant“, „Sie sehen immer nur die Rivalin in der anderen Frau“, „Frauen sind fies und hinterhältig“, und als Folge davon „Mit Frauen komme ich nicht gut aus“, „Mit Frauen ist alles so schwierig“. Wenn ich die drei Attribute fies, intrigant und hinterhältig aufgreife, so befinden wir uns, nach meiner genannten Definition, auf der Ebene des Wettbewerbs im Persönlichen, der Ebene der Rivalität. Und diese Ebene ist die wesentliche Ebene, auf der Frauen zwangsläufig, da sie ja primär personenbezogen sozialisiert sind, in Wettbewerb zueinander treten. „Damit sind wir beim Kernproblem vieler Konkurrenzsituationen unter Frauen angelangt. Anders als bei Männern geht es Frauen in Konkurrenzsituationen nicht allein um Status und um Positionen. Es geht auch und vor allem um Anerkennung im Emotionalen, darum schöner und attraktiver, netter, geistreicher gefunden zu werden.“ (Kramer 1998, S.123)

Rivalisierendes Verhalten darf aber nicht öffentlich gezeigt werden, da, wie bereits erläutert, Frauen dieses Verhalten nicht als anerkanntes zugestanden wird. Das hat zur Folge, dass Frauen ihre Rivalitäten nur verdeckt, verheimlicht ausleben dürfen, und es, nach außen hin und vor sich selbst, gleichzeitig verleugnen müssen. Dies wird als fies und intrigant bewertet, oder zumindest als „hintenrum“. Und diese Verhaltensweise wird dann im Umkehrschluss als typisch weiblich bezeichnet.

Das Lernen dieses Rivalitätsverhaltens beginnt häufig in der Familie, wenn die Mutter die Tochter als Rivalin im Kampf um die Aufmerksamkeit des Ehemannes wahrnimmt bzw. wenn, umgekehrt, die Tochter im Kampf um die Zuneigung des Vaters die Mutter als erste Rivalin ausmacht.

„Die wohl schwierigste Zeit für Mütter und Töchter bricht an, wen das Mädchen zur jungen Frau wird. Die Pubertät ist in den meisten Fällen eine regelrechte Prüfung für das Mutter-Tochter-Verhältnis. Was macht diese Phase so konfliktreich? Warum verschärfen sich die Auseinandersetzungen jetzt, wieso wird die Verständigung zwischen Mutter und Tochter gerade dann so schwierig, wenn die Jüngere sich der Älteren in ihrer Entwicklung annähert?

Karin Flaake ist in ihren Studien zur Adoleszenz junger Frauen diesen Fragen nachgegangen. (Meine folgenden Ausführungen beziehen sich auf ihre Studie.)

In ihren Interviews zeigt sich deutlich, dass es den Müttern schwer fällt, die heranwachsende Tochter mit einem wohlwollenden, anerkennenden Blick zu sehen, und sie auf ihrem Weg ins Frauenleben unterstützend zu begleiten. Das junge, blühende Leben an ihrer Seite konfrontiert viele Mütter schmerzhaft mit ihrem eignen Älterwerden und ruft Neidgefühle hervor. Die Mütter treten in Konkurrenz (nach unserer Definition in Rivalität) zur eigenen Tochter und werten diese ab. Beispielsweise stellen zwei Mütter fest, dass die Tochter einen schönen, jugendlichen Busen hat. Doch können sie dieses Lob nicht unkommentiert lassen, sondern relativieren ihre Anerkennung durch heftige Kritik: Die Tochter sei im Gegensatz zu ihnen viel dicker, würde sich gehen lassen und zu viel essen. Die Körperlichkeit der Tochter wird negativ beschrieben, die eigene dagegen als attraktiver als die der Tochter dargestellt. Dabei fällt der älteren Frau genau das an der jüngeren unangenehm auf, was sie selbst an ihrem eigenen Körper nicht mag.

Mütter sehen in der heranwachsenden Tochter eine Rivalin, und Töchter wissen intuitiv um die Ängste der älteren Frau. „Ich bin jetzt auch eine Frau“, sagt eine 15-jährige fast provozierend zur Mutter als sie erste Regelblutung bekommt. Karin Flaake ergänzt, was unausgesprochen bleibt, von der Mutter aber durchaus „gehört“ wird: „...und kann meine erotische Ausstrahlung auf Männer, zum Beispiel den Vater, wirken lassen.“ “ (Nuber 2002, S.26)

Wie bereits oben dargestellt, reproduziert die Mutter in sich die gesellschaftliche Abwertung als Frau und gibt sie mehr oder minder ungefiltert an die Tochter weiter. Bei der Tochter wiederum reproduziert sich die allgemeine Abwertung von Frauen in ihrem Bild von sich selbst und von anderen Frauen. Gleichzeitig wird deutlich, wie wichtig die Körperlichkeit, das Aussehen für das Selbstbild von Frauen nach wie vor ist. Ebenso bestätigt diese Studie die Bedeutung der Adoleszenz bei der Entstehung der Geschlechtsrollenidentität, wie ich es bereits dargestellt habe. Und als weiteres zeigen die Ergebnisse dieser Studie auf, dass die erste und wichtigste Frau im Leben eines Mädchens meist auch zur ersten Rivalin wird und auch zur ersten Rivalin um die Gunst (oder die Anerkennung) eines Mannes, nämlich des Vaters. Damit erhält die erste männliche Person bereits die Bedeutung, die später in der Bedeutung möglicher Partner und im Kampf um sie fortgesetzt wird. Die Mutter dagegen wird zur Enttäuschung, zum Sinnbild dafür, dass eine Frau sich auf andere Frauen nicht verlassen kann, dass sie sich, sobald es um Männer geht, gegen einen selbst wenden.

(An dieser Stelle möchte ich eine Anmerkung in Klammern machen: Es geht mir nicht darum, den Müttern einseitig die Schuld oder Verantwortung für diese Entwicklung zuzuschieben, sondern ich möchte das Verhalten der Mütter als ein geradezu zwangsläufiges Ergebnis der gesellschaftlichen Situation, in der sie leben, eingeordnet wissen. Die Rolle der abwesenden Väter möchte ich an dieser Stelle nicht weiter berücksichtigen.)

Was Mädchen weiter bei dieser Auseinandersetzung mit der ersten Rivalin lernen, ist, dass der Kampf nicht offen ausgetragen wird, dass die Waffen kleine oder auch große Abwertungen, unterschwellige Sticheleien, intrigenhaftes Verwobensein mit dem Vater sein können. Beide Beteiligte, Mutter und Tochter, wissen um oder ahnen die Verletzbarkeit der anderen und sind deshalb selten frei von einem schlechten Gewissen der Rivalin gegenüber. Eine Mischung aus den unterschiedlichsten Gefühlen der Rivalin gegenüber begleitet diese Auseinandersetzung. Dieser Gefühlswirrwarr beinhaltet Ärger und Wut, Neid und Missgunst, Mitleid und Anteilnahme, Rachegefühle und geliebt sein wollen und vieles mehr.

Wichtig ist mir dabei, dass sich dieser Gefühlswirrwarr oder Varianten davon meist ein Leben lang in allen Situationen wiederholen, wenn sich Frauen in Rivalitätssituationen mit anderen Frauen befinden. Dieser Gefühlswirrwarr, verbunden mit einem Verbot, auf diese Weise überhaupt zu handeln, macht es für Frauen oft so schwer, herauszufinden, was sie gerade in dieser Situation tun, was sie empfinden, was ihre Motivation eigentlich ist.
Eine Ausnahme ist dabei die Rolle des Biestes, wie sie in vielen Filmen und Romanen vorkommt, exemplarisch in der Serie Denver-Clan die Rolle der Alexis, gespielt von Joan Collins, zumindest den Frauen meiner Generation wohl bekannt.
Sie hat Affären, gibt ihr jüngstes Kind weg, vergnügt sich mit Männern ihrer Wahl, sie demütigt die neue Frau ihres Ex-Mannes und versucht sie zu vertreiben, sie sinnt offen auf Rache, etc. (Genaueres können Sie der entsprechenden Internet-Seite entnehmen, von der auch ich meine detaillierten Kenntnisse habe.)
Dies ist zweifellos eine Frau, die weiß, was sie will, die alles tut, die alles darf, die sich alle Freiheiten nimmt. Sie hat zwar alles, nur nicht die Gunst des Publikums, da sie als eine durch und durch schlechte Frau gesehen wird, doch ist sie auch der Zerrspiegel, in dem der vermeintliche Prototyp der weiblichen Rivalin gezeigt wird. Nun können Sie zu Recht sagen, dass diese Serie ja schon etwas antiquiert sei, und die Rollenbilder vielleicht etwas überholt. Da ich in der aktuellen Seriendiskussion nicht bewandert bin, habe ich mich umgehört und so erfahren, dass auch heute keine Soap ohne Biest auskommt. Und ich werde sehr hellhörig, wenn junge Frauen andere in aller Öffentlichkeit Zicken und Schlampen nennen und nennen dürfen, wenn es plötzlich wieder salonfähig ist, neue Bilder von Biestern zu kultivieren und die öffentliche wechselseitige Abwertung von Frauen Kultstatus gewinnt. Es fällt mir schwer, dies als Fortschritt, als Spielen mit und Ironisieren von Rollenklischees zu interpretieren. Vielleicht als Thema für die spätere Diskussion möchte ich hier nur die Frage festhalten: Wie sieht es mit den Biestern in Frauenzusammenhängen aus?

Ich möchte mich jetzt dem Bereich der Konkurrenz zuwenden, der, nach meiner Definition, den Wettbewerb im Leistungsbereich meint.
Zunächst muss ich hier aber noch eine persönliche Anmerkung machen, da ich in der Nachfolge der 68-er Generation mit großem Vorbehalt dieser Begrifflichkeit gegenüber sozialisiert wurde. Konkurrenzgesellschaft, Wettbewerbsorientierung waren und sind Realitäten, denen sich meine Generation gerne verweigert hätte. Ob mit großem Erfolg, sei an dieser Stelle erst einmal dahingestellt.
Wenn es mir aber gelingt, von den gesellschaftlichen Bedingungen etwas zu abstrahieren, und mir vorzustellen, dass es, vielleicht etwas idealisiert gedacht, darum geht, etwas zu können, ein Ziel anzustreben und sich dabei mit anderen zu messen und auf diesem Hintergrund auch noch bessere Leistungen zu erzielen, so ist dies ein recht angenehme Vorstellung. Diese wird von modernen Unternehmen geradezu kultiviert. Interne Konkurrenz, das Wetteifern um die besten Lösungen – freilich auf ein gemeinsames Ziel gerichtet – wird so zum Erfolgsfaktor – zumindest für das Unternehmen.

Die Frage zum Thema Konkurrenz unter Frauen müsste also lauten: Wer ist die Beste im ganzen Land? Und schon reagieren wir erstaunt, da wir doch alle die Frage: Wer ist die Schönste im ganzen Land? viel besser kennen.
Wie oben dargestellt, zielt nun aber die weibliche Sozialisation in einem wesentlichen Punkt auf die soziale Bezogenheit ab. Ein weiteres Ziel ist sicher inzwischen der Einstieg in die Berufstätigkeit, doch hat diese immer noch einen anderen Stellenwert als bei Jungen, da die Berufstätigkeit immer neben dem wichtigen Ziel der Partnerschaft/ Familiengründung stehen bleibt oder sogar hinter dieses zurückfällt.

Der Psychotherapeut Kurt Theodor Oehler kam in seiner Untersuchung zu Rivalität und Konkurrenz am Arbeitsplatz zu dem Ergebnis: „ dass Frauen Rivalitäten eher ablehnen, sie vermeiden, (er verwendet die Begriffe Rivalität und Konkurrenz synonym – im Unterschied zu meiner Definition), und auch eher dazu beitragen wollen, dass in ihrem Umfeld weniger rivalisiert wird. Sie identifizieren sich häufiger als Männer mit Aussagen wie „Ich bemühe mich, nicht zu rivalisieren“, „Im Laufe seines Lebens sollte man das Rivalisieren überwinden“, „Ohne Neid, Eifersucht und Rivalität wäre die Welt erheblich besser“. Offensichtlich sind Frauen der Meinung, dass Rivalität die Beziehung zu anderen Menschen und die gesellschaftliche Solidarität insgesamt zerstören kann. Die weibliche Haltung zum täglichen Konkurrenzkampf fasst er so zusammen: „Im Berufsleben resignieren Frauen schneller und geben den Kampf leichter auf. Sie scheinen eine Niederlage mehr zu fürchten, als sich von vorneherein sozial unterzuordnen.“ (Beispiel: Zwei Kolleginnen bewerben sich um eine Vorgesetztenstelle, eine zieht ihre Bewerbung wieder zurück, häufige Realität, immer wieder als Beispiel in der Literatur genannt)
Dagegen sehen Männer das Thema offenbar sehr viel unverkrampfter. Sie bejahen Aussagen wie „Rivalität spornt mich an, die gleichen Erfolge anzustreben wie meine Mitmenschen“, „Wer gar nicht rivalisiert, wird krank“ (d.h. aus diesem Blickwinkel ist das Verhalten von Frauen krank, Frauen sind also krank im Wettbewerb im Vergleich zu Männern) oder „Rivalität ist natürlich und nützlich für die Gemeinschaft“. Entsprechend diesen Einstellungen fällt das Verhalten im Arbeitsleben auch unterschiedlich aus.
Oehler fand weiterhin heraus, dass Frauen und Männer um unterschiedliche Dinge rivalisieren: Während es Männern mehr um messbare Erfolge geht, also Positionen, Titel, und Gehaltsstufen, kämpfen Frauen um die Anerkennung von Kollegen und Vorgesetzten: “Das weibliche Kampffeld scheinen eher die zwischenmenschlichen Beziehungen zu sein. Männer kämpfen in erster Linie um den Erfolg, die Anerkennung des Chefs ist für sie sekundär. Sie rivalisieren offener und unverkrampfter als Frauen, die mehr einem Muster folgen, das ihnen vorschreibt, sich anzupassen und sich auf keinen Fall unbeliebt zu machen.“ “ (Tenzer 2003, S.42)

An diesen Ergebnissen wird nochmals deutlich, dass die Leistungsebene, der Kampf um Macht und Positionen für viele Frauen fremdes Terrain ist, dass der Wunsch nach Anerkennung im sozialen Bereich alle anderen Wünsche überlagert. Frauen erfüllen also nach wie vor die normierten Sozialisationsanforderungen, wie ich sie oben dargestellt habe. Bedenkenswert finde ich an diesen Ergebnissen weiterhin, dass sich Männer und Frauen im Arbeitsleben mit völlig unterschiedlichen Erwartungen gegenübertreten. Gekoppelt mit den unterschiedlichen Kommunikationsmustern (wie viele Frauen sie immer wieder aus ihrem Beziehungsalltag schildern) und den unterschiedlichen Sozialisationsanforderungen stehen sich auch in der Arbeitswelt zwei letztlich fremde Gruppen gegenüber, die, so könnte frau fast meinen, von ganz unterschiedlichen Planeten kommen.(Dieses Phänomen greift ja auch der Bestseller-Autor John Gray in seinem Beziehungsratgeber auf, bei dem es im Titel heißt, Männer kommen vom Mars, Frauen von der Venus.)

(Obwohl es ja eher zum Thema Konkurrenz zwischen Frauen und Männern gehört, sollen hier noch ein paar Zahle die reale Situation erhellen: In USA werden 33 Prozent aller Führungspositionen im oberen Level mit Frauen besetzt, in Deutschland sind es gerade mal 11 Prozent, betrachtet man allerdings die Top-Positionen in USA, so sind es gerade mal 1,2 Prozent.) (Verweis auf Minderheiten, wie vorne dargestellt)
“Als einen Meilenstein im Kampf um die Gleichberechtigung gilt in USA ein Urteil des Obersten Gerichtshofes, das zugunsten der Klägerin Ann Hopkins entschieden wurde. Hopkins war eine Beförderung zur Partnerin verweigert worden, weil sie angeblich nicht die entsprechende Leistung zeigte. Ihr wurde vorgeworfen, sie sei schwer zu nehmen, würde zu schroff mit Kunden umgehen und neige zur Ungeduld. Sie wurde beschrieben als jemand, „die überkompensiere, weil sie eine Frau ist.“ Man legte ihr nahe, „eine Charme-Schule“ zu besuchen. Hopkins konnte im Laufe des Verfahrens nachweisen, dass sie hervorragende Resultate für die Firma erziele. Und es waren die geäußerten, diskriminierenden Kommentare, die dem Unternehmen schließlich eine Niederlage bescherten.“ (Schön 2002, S.29)

Ich habe dieses Beispiel ausgewählt, weil hier nochmals sichtbar wird, mit welchen Zuschreibungen, bzw. Abwertungen Frauen zu kämpfen haben. Wenn wir uns die Attribute genauer anschauen, wird der Klägerin mit den, vom Gericht zu Recht als diskriminierend bezeichneten Äußerungen quasi ihre Weiblichkeit abgesprochen. Sie sei schwer zu nehmen, die Forderung dahinter: sie solle angepasst und leicht handhabbar sein, sie würde schroff mit Kunden umgehen, die Forderung: sie solle nett und freundlich sein, sie neige zur Ungeduld, Forderung: sie solle geduldig sein und der Gipfel in der Aufforderung, eine Charme-Schule zu besuchen. Hier können wir sehen, mit welchen double-bind Botschaften Frauen in Führungsebenen zu kämpfen haben. Wenn sie nicht den weiblichen Normen entsprechen und vielleicht gerade deshalb erfolgreich sind, wird ihnen ihre Weiblichkeit abgesprochen und ihr Erfolg in Frage gestellt, wenn sie aber den weiblichen Normen entsprechen, dürfte es mit dem Erfolg wohl auch sehr schwierig werden. (Auf diese parallele Problematik habe ich zu Beginn in Zusammenhang mit der Schulsituation für Mädchen bereits hingewiesen, und wir können sehen, dass dieses Elend auch im Berufsalltag nicht verschwindet.)
Da es sehr wenige positive Beispiele für erfolgreiche Frauen gibt, spricht die Hamburger Kommunikationstrainerin Barbara Berckhan „von einem noch nicht sehr ausgetretenen Pfad in den Dschungel, den Frauen zu gehen haben. Unsicherheiten oder gar Fehler sind sozusagen vorprogrammiert.“ (Kramer 1998, S.107)

Frauen sind nicht vorbereitet auf die Konkurrenz mit Männern, es ist für Frauen völlig zwecklos, mit ihnen auf der personenbezogenen Ebene zu rivalisieren, außer der Vorgesetzte hat gerade ein Buch über Emotional Intelligence gelesen. Frauen sind aber auch nicht vorbereitet auf die Konkurrenz zwischen Frauen und neigen dazu, in Konkurrenz mit Frauen auf die Rivalitätsebene zu wechseln, worauf sich der häufige Vorwurf bezieht, Frauen könnten sich nicht sachbezogen auseinandersetzen.

Vom Dschungel, in den sich Karrierefrauen begeben müssen, möchte ich nochmals zurückkehren zu den eher bekannten Pfaden unseres beruflichen Alltags. Babara Cohen und Carolyn Duff, die in USA einen Beratungsservice für Frauen, die mit Frauen arbeiten, leiten, haben Kategorien entwickelt, mit denen sich aufzeigen lässt, welche Atmosphäre Frauen in ihrem Arbeitszusammenhang bevorzugen. Sie nennen diese Kategorien Wohlfühlbereiche. „Um effektiv mit anderen Frauen zusammenzuarbeiten, ist es ungemein wichtig“, so die beiden Autorinnen, „die eigenen Wohlfühlbereiche zu kennen und zu wissen, inwieweit sie sich mit denen der Kolleginnen decken. Differenzen im Wohlfühlbereich sind oftmals die Ursache für Konflikte in der Zusammenarbeit.“ (Duff/Cohen 1997, S.28)
Die vier zentralen Kategorien umfassen:
1. Verbundenheit zu den Menschen am Arbeitsplatz
2. Zuwendung und Anteilnahme
3. Kompetenz und die Wichtigkeit, gute Leistungen zu erbringen und vernünftig durchdachte Entscheidungen zu treffen
4. Kooperation und Einbeziehung über Konkurrenz und Machttaktiken zu stellen

Die Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass Frauen, denen die Verbundenheit mit anderen Frauen am Herzen liegt, sich unwohl fühlen, wenn sie von einem Beziehungsnetz abgeschnitten werden, und besonders darunter leiden, wenn es zum Verrat einer Beziehung kommt.
Eine gleichgültige Frau, die sich nicht um die Selbstachtungsbedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen oder Untergebenen kümmert, kann eine äußerst negative Arbeitsatmosphäre schaffen. Dies gilt auch für Frauen, die sich weigern, die Kompetenz der anderen Frauen anzuerkennen oder Verantwortung für ihre eigene zu übernehmen. Frauen, die eine kooperative Umgebung schätzen, in der andere sie an Informationen teilhaben und ihnen Unterstützung zukommen lassen, fühlen sich unwohl in Situationen, in denen sich Frauen nur um sich selbst kümmern. (Duff/Cohen 1997, S.31)

Die beiden Autorinnen weisen nachdrücklich daraufhin, dass einseitige Überbetonung der Wohlfühlbereiche für Frauen ebenso große Probleme schaffen wie die völlige Ignoranz ihrer Existenz. Einige Beispiele hierzu:
„Übermäßiges Zuwendungsbedürfnis legt zu viel Betonung auf das Persönliche und kann die Aufmerksamkeit von relevanteren beruflichen Dingen ablenken.
Eine Überbetonung der Bindung an Einzelne oder an Cliquen kann unser Vordringen in neue Bereiche hemmen und ernsthaft gefährden. Bei einer Versetzung in eine andere Abteilung oder einer Beförderung können Bindungsfragen die für den Erfolg in der neuen Position erforderliche Unterstützung anderer Frauen verhindern.
Unüberprüfte Anteilnahme und Zuwendung können zu Protektionismus führen, der verhindert, dass Frauen die zur Entwicklung ihrer eigenen Stärken und Fähigkeiten nötigen Erfahrungen machen. Und die persönlichen Verpflichtungen, die sich aus manchen Zuwendungen ergeben, können zum Betrug führen, wenn Beziehungserwartungen mit beruflichen Prioritäten in Konflikt geraten.

Eine Missachtung des Kompetenzbereiches kann verhindern, neue Verantwortung zu übernehmen. Andererseits können Frauen mit Zurschaustellung von außergewöhnlicher Kompetenz auf andere Frauen, die das als Überlegenheitsdemonstration und Abgrenzung verstehen, bedrohlich wirken.

Wenn wir schließlich darauf bestehen, Kooperation als einzige Form der Zusammenarbeit anzuerkennen, machen wir es anderen Frauen oft schwer, offen und selbstbewusst um Möglichkeiten zu konkurrieren, die ihre eigene Karriere fördern und die Position aller Frauen stärken können.“ (Duff/Cohen 1997, S.33)

Vor zwei Erscheinungsformen weiblichen Verhaltens warnen die Autorinnen noch nachdrücklich: dies ist zum einen der Klatsch, als beliebtes weibliches Kommunikationsmittel und zum zweiten die Cliquenbildung.
Klatsch wirkt am Arbeitsplatz dann negativ, wenn wir nicht mehr einfach nur über jemanden reden, sondern schlecht über jemanden reden. Klatsch auf diese Weise einzusetzen, ist für viele Frauen verführerisch, als Ventil für Aggressionen, denn sie haben nicht gelernt, direkt und offen zu konfrontieren. Oder wie Michi Ebner sagt: „ In weiblicher Sozialisation wird Aggression verstärkt durch das Verbreiten von Gerüchten, Lügen und Halbwahrheiten, oder durch Entzug von Zuwendung ausgelebt. In einem Mobbingverlauf (zu dem es bei einer Zuspitzung der Situation konsequenterweise kommen kann) versuchen so z.B. eine oder zwei Frauen die Gruppe für sich oder gegen eine bestimmte Frau zu vereinnahmen.“ (Ebner 2003, S. 6) Vergeltung wird dann zum Hauptmotiv des Klatsches, wenn wir uns über eine Kollegin geärgert haben und statt sie direkt anzusprechen, lieber über sie herziehen. Und Klatsch verletzt dann am meisten, wenn Frauen das ihnen Anvertraute absichtlich dazu nutzen, um eine Konkurrentin aus dem Feld zu schlagen.

Das zweite Phänomen der Cliquenbildung kennen Frauen meist schon aus ihrer Jugendzeit. Je nachdem, ob sie Teil der Clique waren oder nicht, wird die Clique als verbindend oder als ausgrenzend wahrgenommen. Am Arbeitsplatz gefährden Cliquen eine offene integrative Arbeitsatmosphäre, da sie Mauern bilden und nicht- Cliquenmitglieder von vorne herein ausschließen.
Brigitte Altenkirch schrieb bereits 1989 in ihrem berühmt gewordenen Artikel über „Die Moral des Nicht-Verletzens in Arbeitsbeziehungen von Frauen“:
Es gab aber auch Orte, an denen ich meine Kritik artikulieren konnte: in privaten Gesprächen außerhalb der Gesamtgruppe. Voraussetzung dafür waren die Abwesenheit der kritisierten Frau und die Annahme, dass die Anwesenden meine Kritik teilen und mich unterstützen würden. Als Gleichgesinnte waren wir uns schnell einig, hier brauchten wir nicht mehr vorsichtig zu sein, hier konnten wir uns gegenseitig bestätigen. Die Kritik hatte ein Ventil gefunden, wenn auch nicht an der richtigen Stelle. Die Inhalte dieser informellen Gespräche blieben geheim. Es schien eine stillschweigende Übereinkunft zu geben, sie nicht weiter zu tragen, auf jeden Fall nicht in die Gesamtgruppe. Wurde dennoch etwas weitergegeben, dann nur hinter vorgehaltener Hand. Über andere in deren Abwesenheit zu reden, war für mich mit sehr widersprüchlichen Gefühlen verbunden. Zum einen wirkte es erleichternd: ich konnte meine Unzufriedenheit loswerden, fühlte mich durch andere in meiner Wahrnehmung und Bewertung bestätigt. Aber es war mir auch unheimlich. Denn was würde passieren, wenn ich abwesend wäre? Oft hatte ich das Gefühl: „Es ist etwas im Busch.“ Anstatt nachzufragen, fand ich mich mit der Verunsicherung ab, die leichter zu ertragen war als die Vorstellung, mich den Gefahren einer Konfrontation auszusetzen. Ich fürchtete, dass mir dadurch der Boden unter den Füßen weggezogen und meine ganze Person in Frage gestellt werden könnte. Diesen Befürchtungen stand mein Bedürfnis nach Rückkoppelung entgegen. Schweigen, ausbleibende Resonanz ertrug ich besonders schwer, wenn ich noch auf der Suche nach einer Position und damit auf die Einwände und Zustimmungen der anderen angewiesen war. Ich wünschte mir diese Unterstützung, forderte sie aber nur selten ein.“ (Altenkirch 1989, S.107)

Und wer von uns kennt solch eine Situation nicht, am Arbeitsplatz, in Arbeitsgruppen, mit Kolleginnen oder anderen Frauen aus dem Frauenprojekt?

Zum Schluss möchte ich folgende Thesen entwickeln, wie wir lernen können, mit den geschilderten Problemen konstruktiver umzugehen.

Wir müssen lernen
- achtsam zu sein im Umgang mit unseren eigenen Frauen abwertenden Haltungen, sowohl uns selbst gegenüber als auch anderen Frauen gegenüber.
- den Blick auf die Fähigkeiten und Ressourcen zu richten, anstatt an den Defiziten hängen zu bleiben - sowohl bei uns selbst als auch bei anderen.
- Die Verschiedenheit von Frauen und die Verschiedenheit ihrer Lebensentwürfe als Bereicherung, nicht als Infrage-Stellung unseres eigenen Lebensentwurfes zur Kenntnis zu nehmen.
- dass Frauen unterschiedlich sind, auch unterschiedlich im Einsatz für ihre beruflichen Ziele.
- uns wechselseitig zu fördern statt gemeinsam im Mittelmaß verharren.
- Mut, Risikobereitschaft, ein gewisses Maß an Aggressivität und Kampfgeist zu entwickeln.
- bei Kritik zwischen der Sachebene und der Beziehungsebene zu unterscheiden.
- dass den Blick auf uns selbst zu richten, egoistisch zu sein, herausstechen zu wollen, nicht bedeuten muss, unsere sozialen Fähigkeiten zu verlieren.
- Frauenräume zu entwickeln, wo es sie noch nicht gibt, Frauenräume zu schützen, wo sie bereits aufgebaut wurden.
- Aufhören, Männer als den Nabel der Welt zu betrachten, um den wir uns alle drehen müssen.
- Mentoring zu praktizieren, d.h. junge Frauen zu fördern und zu unterstützen.
- Frauennetzwerke aufzubauen, die das Erreichte schützen und ausbauen.
- uns an den uns möglichen Orten, einzumischen und wieder mehr politischen Einfluss zu gewinnen.

Abschließen möchte ich jetzt mit einem Zitat von Karin Flaake:

„ Für die Tochter ist es von großer Wichtigkeit, den „Glanz im Auge der Mutter“ zu sehen, von ihr die Bestätigung zu bekommen, dass es wundervoll ist, Frau zu werden. Nur dann kann die Tochter ihre aufkeimende Weiblichkeit genießen und ist weniger angewiesen auf den bestätigenden fremden Blick, die Anerkennung durch einen Mann. Die Anerkennung und Wertschätzung der eigenen Weiblichkeit durch das eigene Geschlecht kann eine Basis schaffen, auf der sexuelle Beziehungen selbstbewusst gestaltet und eigene Wünsche und Vorlieben entdeckt werden.“(Nuber 2002, S.27)Und dies kann nur gelingen, wenn die Mütter auch mit sich selbst zufrieden sind, mit ihrem Alter versöhnt und mit sich als Frau in Einklang sind.

Cornelia Schmidt
Diplom-Pädagogin

info@non-commercial.de

---------------------
Zitierte Literatur

Altenkirch, Brigitte: Die Moral des Nicht-Verletzens in Arbeitsbeziehungen von Frauen, in: Studienschwerpunkt „Frauenforschung“ am Institut für Sozialpädagogik der TZ Berlin (Hg.), Mittäterschaft und Entdeckungslust, Berlin 1989,

Carmon-Daiber,Birgit u.a.: Schwesternstreit, Von den heimlichen und unheimlichen Auseinandersetzungen zwischen Frauen, Reinbek bei Hamburg 1983,

Duff Carolyn S. / Cohen, Barbara: Wenn Frauen zusammen arbeiten, Solidarität und Konkurrenz im Beruf, Frankfurt am Main 1997

Ebner, Michi: Wir. Ihr. Sie. Ich? Von Mobbing und anderen Ausschlussstrukturen in feministischen Kontexten, KOFRA 104/03

Flaake, Karin: Körper, Sexualität und Geschlecht, Studien zur Adoleszenz junger Frauen, Gießen 2001

Hagemannn-White, Carol: Berufsfindung und Lebensperspektive in der weiblichen Adoleszenz 1992, zitiert bei Scheffler, Sabine: Nur der Schluck und der Druck sind geschlechtslos, in: Koordinierungsstelle der bayerischen Suchthilfe, Dokumentation der Fachtagung Sucht – der KLEINE Unterschied vom 23. Februar 1999, S.11

Kramer, Gisela: Wer ist die Beste im ganzen Land, Konkurrenz unter Frauen, Frankfurt am Main 1998

Nuber, Ursula: Spieglein, Spieglein an der Wand ... in: Psychologie heute Juli 2002

Scheffler, Sabine: Nur der Schluck und der Druck sind geschlechtslos, in: Koordinierungsstelle der bayerischen Suchthilfe, Dokumentation der Fachtagung Sucht – der KLEINE Unterschied vom 23. Februar 1999, S.11

Schön, Gerti: Frauen auf dem langen Marsch, in: Die Zeit 26.9.2002

Sheldon, Sidney: Zeit der Vergeltung, München 2001

Tenzer, Eva: besser, am besten, in: Psychologie heute September 2003



Weiterführende Literatur

Barber, Jill / Watson, Rita: frau gegen frau, Rivalinnen im Beruf, Reinbek bei Hamburg 1993

Fuchs, Brigitte / Habinger, Gabriele (Hg.): Rassismen und Feminismen, Differenzen, Machtverhältnisse und Solidarität zwischen Frauen, Wien 1996

Goldberg, Christine / Rosenberger, Sieglinde K. (Hg.): KarriereFrauenKonkurrenz, Innsbruck 2002

Koppert, Claudia (Hg.): Glück, Alltag und Desaster, Über die Zusammenarbeit von Frauen, Berlin 1993

Miner, Valerie / Longino, Helen E. (Hg.): Konkurrenz, Ein Tabu unter Frauen, München 1990

Schröter, Susanne: FeMale, Über Grenzverläufe zwischen den Geschlechtern, Frankfurt am Main 2002



Powered by Blogger